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Harald Krämer , 1994

Polaritäten

 

Barbara Höller geht es nicht um das Aufzeigen von individuellen Positionen in einem gemeinsamen Kontext, dem Zulassen von Polaritäten, gleichsam unterschiedlichen Meinungen, die zwar unterschiedlich sind, aber dennoch alle wRecht haben. Barbara Höller geht es eher um das harte entweder-oder. Meiner Ansicht nach thematisiert sie die Darstellung von Polarität als gleichzeitige Aufhebung von Polarität. Die Künstlerin definiert Polarität durch Reduktion. Schwarz-Weiß, hell-dunkel, darüberliegendes-darunterliegendes, übermaltes-freies, offenes, Zeichnung-Malerei, Fläche-Linie, Ruhe-Bewegung, Statik-auflösendes Chaos; all diese Gegensätze, so schnell dahergesagt, symbolisieren Grundbedürfnisse und Grundbedingungen im menschlichen Leben.

Betrachten wir nun genauer den Fertigungsprozeß eines Werkes. Ein genau ausgewähltes Stück Holz dient nicht nur als Untergrund, sondern durch seine spezielle Oberflächenstruktur bereits als bildtragendes Element. Mittels geschnittener Formen werden bestimmte Teile dieser hölzernen Bildplatte abgeklebt.

Da auch die Seitenkanten bei dieser Bearbeitung berücksichtigt werden und so auch eine Einbindung des räumlichen Umfeldes entsteht, ist die Bezeichnung Bildobjekte mehr als zutreffend. Durch die Abdeckung entsteht eine Zeichnung. Eine Zeichnung ist eindeutig. Zeichnen bedeutet immer auch schneiden. Nun übermalt Barbara Höller mit Eitempera die abgedeckte Zeichnung. Nach der Entfernung der abdeckenden Schutzschicht, tritt die Maserung des Holzes, quasi als Negativform hervor. Zeichnen ist schneiden, ist entscheiden; und somit ein vorgegebener, ein gefundener Weg.

Ein Kennzeichen für ein diszipliniertes Vorgehen. Malen tritt als zudecken, überlagern, als ein Übermalen, mehr ein Suchen, denn ein Finden, dem Zeichnen gegenüber. Bedarf es bei der Formfindung der Zeichnung eines konstruktiven, denkenden Elementes, so ergibt sich die Farbmischung für das Übermalen eher aus dem Bereich des Sensitiven. Durch dessen Kontrast zwischen Zeichnung und Malerei wird also noch eine weitere Polarität benennbar; nämlich der Gegensatz zwischen Kopf und Gefühl, zwischen Vernunft und Leidenschaft, zwischen zeichnerischer Berechnung und malerischem Ausbruch.

Harald Krämer
[Eröffnungsrede]