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Maria Christine Holter, 2016

Auszüge aus der Rede anlässlich der Ausstellungseröffnung
im Loft 8 Wien, Dezember 2016

Die Erweiterung von Malerei und Zeichnung um die dritte bzw. vierte Dimension – also ins Objekthafte, in ein Zeit-Raum-Gefüge – ist ein wesentliches Merkmal der Kunst von Barbara Höller. Mit ihren auf der Vervielfachung der Linie basierenden, das Medium bis an die Grenzen auslotenden Arbeiten stellt sie einen unverzichtbaren Beitrag für den gegenwärtigen Diskurs. Höllers konzeptueller Zugang macht ihre auch ästhetisch ansprechenden Werke zu einem intellektuellen Vergnügen.

These 1. Barbara Höller ist Konzeptkünstlerin:

Bevor sich eine neue Werkreihe herauskristallisiert oder gar aufdrängt, gibt es eine Vielzahl an künstlerischer Fragen, die Höller solange kondensiert, bis eine konkrete Problemstellung in den meist vielteiligen Serien systematisch abgehandelt wird. Auch wenn die ästhetischen Qualitäten ihrer Arbeiten augenscheinlich sind, spricht ihre Kunst primär den Verstand an. Forschendes Schauen und Fokussierung in der Betrachtung ist gefragt, ohne jedoch den weiteren Kontext außer Acht zu lassen.
Dies gilt sowohl für ihre wunderbaren Grafiken (Beispiele der aktuellen Pigmentliner-Zeichnungen Moiree sind hier zu sehen), Farbplastiken, wie die aus gestapelten Acrylplatten geformte Fountain von 2012, als auch für die aus verschiedenen Werkphasen stammenden Bildobjekte. Der gemeinsame Nenner aller hier ausgestellten Werkgruppen ist, dass sie auf der Vervielfachung der Linie und auf geometrischen Grundformen beruhen.

These 2. Barbara Höller ist Malerin:

Mit systematischer Konsequenz lotet Höller ihr Hauptmedium, die Malerei aus. Dabei folgt sie den Prinzipien der geometrischen Abstraktion, welche sich vor allem seit der 2. Hälfte des vorigen Jahrhunderts primär um medium-immanente und formale Fragestellungen dreht. Malerei erzeugt demnach kein Simulacrum oder Narrativ, sondern ist was sie ist: Farbe und Formen auf einem meist flachem Träger.
Schon allein aus diesen Komponenten lassen sich jedoch eine Vielzahl an Systemen und Problemstellungen kreieren: Farbe als Farbwert, Farbfeld und Form, als Material und Struktur; unterschiedliche Farbsubstanzen zwischen matt und hochglänzend: Eitempera, Dispersion, Acryl, Emailfarbe und in der Grafik auch Tuschen, Tinten und Inkjet; die Aggregatzustände von dünnflüssig bis zur dicken Paste, von der feinen Acrylschnur (wie bei den nuancierten Farbverläufen von Charts) bis zu den millimeterdünnen Farblappen oder Farbplatten von Fountain, sowie deren schwer kalkulierbare Trocknungsprozesse. Ebensolches gilt für die Träger – Leinwand, Holz, MDF, zuletzt vielfach Aluminium: welche Oberfläche, welches Material lässt die Farbe wie erscheinen? Was passiert mit der Komposition, wenn der Träger offen zu Tage tritt, angebohrt (ja auch das gab es schon bei Höller), fragmentiert, oder gänzlich auf ihn verzichtet wird?
All dies wird im Atelier durchexerziert, und wie in einem Labor ist auch dort die Lust am Experiment, der Spieltrieb, der Zufall, aber auch das Scheitern Teil des künstlerischen Prozesses. Der Begriff der „erweiterten Malerei“ ist also angebracht.

These 3. Barbara Höller ist Raumkünstlerin:

Seit der Renaissance haben die Gesetze der Perspektive dazu gedient, eine Illusion von Raum zu erzeugen – das Bild als Fenster in die Wirklichkeit. Damit wurde in der Revolution der Moderne und folglich auch der Gegenwartskunst gebrochen.
Bei Höller, wie bei anderen neo-konstruktivistischen Kunstschaffenden, wird Räumlichkeit mit den Mitteln der Reduktion erzeugt. Die Ergebnisse stehen den Konstruktionszeichnungen von Baukünstlern näher, als der klassischen Malerei. Nach wie vor aber haben bei der Raumbildung abgestufte Farbwerte sowie die Größe und Anordnung der geometrischen Farbflächen eine Rolle gespielt.
Bei den neueren Arbeiten Höllers seit 2012 übernimmt diese Aufgabe jedoch fast zur Gänze die Linie, die die Flächen in den Nonfarben Weiß, Schwarz oder Grau in unterschiedliche Segmente einteilt und durch Schrägen, Vertikale und Horizontale Raumassoziationen hervorruft. Wir können dies gut an den Arbeiten Up & Down von 2015 und Reality von 2016 beobachten.
Analog zur Architektur sind diese Raumkonstruktionen in Wahrheit Dekonstruktionen von tatsächlichen Raumgegebenheiten. Um die Nähe zur Architektur nochmals zu bemühen, arbeitet Höller auch gern mit modularen Systemen. Die Module erlauben es nicht nur der KünstlerIn innerhalb eines Bildsystems zu variablen Aussagen und so zu einer Raum-Zeit-Verschränkung zu gelangen, sondern ermöglichen es auch der Betrachterin oder dem Betrachter diese Variablen zu erkunden und für sich in Anspruch zu nehmen, wie beispielsweise bei Arbeiten der Serie Check!, wo das Ausrufungszeichen im Titel schon die Aufforderung zum Mitspielen enthält.

Conclusio: Die Erweiterung der Malerei und der Zeichnung in die dritte bzw. vierte Dimension – also ins Objekthafte, Räumliche und Zeitliche – ist ein wesentliches Merkmal der Kunst von Barbara Höller. Mit ihren auf der Vervielfachung der Linie basierenden, das Medium bis an die Grenzen auslotenden Arbeiten stellt ihr Werk einen unverzichtbaren Beitrag für den gegenwärtigen Diskurs dar. Höllers anspruchsvolle Konzepte fordern bedingungs- aber nicht humorlos die Partizipation ihres Publikums ein.

 

Maria C. Holter ist Kunsthistorikerin und Kuratorin und lebt in Wien