Maria Christine Holter, 2008 |
cross-painting |
Barbara Höller lässt seit einigen Jahren durch die ausschließliche Thematisierung von Bildträger und Farbe aufhorchen, wobei die Farbe als Farbton, -material und -duktus isoliert eingehenden Untersuchungen unterzogen wird. Wie in einem chemischen Labor testet sie Farbstoffe auf ihre Trocknungs- und Gerinnungseigenschaften, auf die optischen und physischen Veränderungen, die sich aus dem Zusammentreffen mit den jeweiligen Trägermaterialien und Oberflächen ergeben. Nur im seltensten Fall kommt der Pinsel, das ureigenste Werkzeug der Malerei, zum Einsatz. Höller tauscht ihn gegen Bohrer, Injektionsspritzen und Pipetten für die Bearbeitung der Bildgründe. Letztere werden in ihrer konventionellen Funktion und Form ebenfalls permanent in Frage gestellt: Höller hatte sich bereits in den 90er Jahren des vorigen Jahrhunderts gegen Leinwände als Projektionsflächen entschieden. Sie wählte frei vor der Wand „schwebende“ dünne Holzplatten für ihre zunehmend geometrisch abstrakten, von mathematischen Grundsätzen geleiteten Kompositionen, die auch vor der Bildkante und -rückseite nicht haltmachten. Ab den Serien drill (2001) und process (2003–2005) beginnt sie den Bildträger durch Kreisbohrungen zu verletzen und in das Skulpturale, Objekthafte zu erweitern. So ließen sich die mit 1 cm tiefen Bohrungen und darin geronnener Acrylfarbe rastergenau überzogenen MDF-Platten auch als farbig bearbeitete Reliefs verstehen, jedoch ist die Farbwirkung – das prozesshafte Verändern der Farbnuancen zu einem optisch raumgreifenden Farbverlauf – so stark, dass die direkte Auseinandersetzung mit dem Medium Malerei unmissverständlich ist. Hinter dem Sammelbegriff der one-liners verbergen sich bei Barbara Höller seit 2005 eine Vielzahl von noch andauernden Versuchsanordnungen das Farbmaterial komplett vom Träger abzulösen. Diese resultieren konsequenterweise in Malerei, die Spur und Träger zugleich, also Objekt geworden ist – in „cross-paintings“. Höller trägt dazu Acrylfarbe direkt mit der Spritze auf Glasplatten auf, lässt die farblich abgestuften Farbwürste oder -fäden soweit antrocknen, dass sie noch elastisch genug sind, um wieder abgehoben und in Form gebracht zu werden: Die mit circular oder Helix betitelten Spiralen können als Farbobjekte bildgleich an der Wand befestigt oder als Installationsobjekt direkt am Boden positioniert werden. In jedem Fall erliegt man ihrem farblichen Sog, der den Blick jenseits der Materie ins Unendliche schleudert. Ähnliche Produktionsprinzipien gelten auch für die Lappen und Rollstücke, wobei hier tatsächlich one-liners, Gespinste aus einem unendlich scheinenden Acrylfaden, entstehen und im Weichzustand wie ein Stofflappen gefaltet, gerollt oder über ein anderes formgebendes Objekt drapiert werden können. Zum Cross-over zwischen Malerei und Plastik kommt bei Höller nun jüngst in der Serie apparati auch die Verwischung der Grenzen zwischen „High“ und „Low“, Kunst und Alltag. Mit einem dem Neo-Pop huldigendem Anspruch entfremdet sie technische Gebrauchsgegenstände (Radio, Diaprojektor, Bügeleisen ...) und überzieht sie lustvoll zur Gänze mit wilden, stark farbigen Spritzern, denen aus einiger Entfernung etwas Vegetabiles, Gewachsenes anhaftet. Die objektgewordene Farbe überlässt hier nun zeitweilig dem farbig paraphrasierten Objekt die Bühne.
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Katalogtext für »cross-painting« [3 Positionen] zur Ausstellung im art.room.Würth, Böheimkirchen, Sommer 2008 http://www.kultur-bei-wuerth.at |